Die Welle

Ob in Australien, Kalifornien, Südfrankreich oder Hawaii: Die besten Wellenreiter der Welt vertrauen auf die Ideen zweier deutscher Brüder. Seit einem Vierteljahrhundert leben Sven und Rouven Brauers mittlerweile für die Neuerfindung des Surfbretts

Sven Brauers heißt der Mann, den sein Glaube an die Perfektionierung des Surfbretts beinahe in den Ruin getrieben hätte und der schließlich, unter anderem, von einem Prinzen mit einem Privatflugzeug erlöst wurde. Er sitzt an einem trüben Tag im Besprechungsraum einer Hannoveraner Bürogemeinschaft, in die er sich derzeit eingemietet hat. “Psch, Psch”, macht die kleine Luftpumpe, deren Kolben er bewegt, dann sagt er: “Hol die mal in Kalifornien am Strand raus, steck sie ans Ventil in deinem Brett und pump es auf. Innerhalb von Minuten stehen erstaunte Surfer um dich herum und wollen wissen, was du da machst.” Als Beweis zeigt er einen Film auf YouTube, in dem der Hawaiianer und derzeit viel gefeierte Profisurfer Mason Ho die Luftpumpe an sein Brett anschließt, bevor er in den Wellen verschwindet. Die erstaunten und begeisterten Kommentare unter dem Film belegen, was der 38-jährige Westfale – Jeans, Turnschuhe, Kapuzenpullover, getrimmter Backenbart – an diesem Tag bloß erzählen kann: Er und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Rouven haben es geschafft, das Surfboard, das seit seiner Erfindung in den fünfziger Jahren mehr als 50 Jahre nahezu unverändert geblieben ist, zu revolutionieren.

„Und wo genau montieren Sie die Segel?“, wurden Rouven (links) und Sven Brauers von einem Banker gefragt; Foto: Odile Hain

Das Kunststück gelang ihnen, indem sie zunächst die Außenhülle des Bretts mit seinem Kern verwachsen ließen. Anschließend konstruierten sie ein Board, das sich recyceln lässt. Und nun haben sie die Möglichkeit entwickelt, das styroporartige Material im Innern aufzupumpen. So kann der Surfer sein Brett mittels des Luftdrucks an die Höhe der Wellen, die Stärke des Windes und die eigenen Vorlieben anpassen.
Unter dem Namen “Hydroflex Technology” vertreiben die beiden ihre international patentierten Innovationen, die sie nicht nur für ihre Eigenmarke “Bufo Boards” verwenden. Mittlerweile fertigen sie die Bretter auch im Auftrag anderer Hersteller an, darunter etliche Riesen der Branche, etwa die amerikanischen Hersteller Lost oder Hawaiian Pro Design.
“Thanks for the Germans”, titelten amerikanische Wellenreitermagazine aus Dankbarkeit über die technischen Entwicklungen der Brauers bereits vor einiger Zeit. Doch richtig klar wurde es den Brüdern erst Anfang des Jahres, mit welcher Ehrfurcht man ihrer Leistung weltweit begegnet. Damals verlegten sie den Produktionsstandort ihrer Bretter von Wolfsburg ins kalifornische Oceanside, dem Mekka der US-amerikanischen Surferszene. Immer wieder schauen nun Surferlegenden in der Firma der Brauers vorbei und erzählen ihnen, wie sehr sie ihre Arbeit schon seit Jahren bewundern. Und Shaper, also diejenigen, die im Auftrag von Unternehmen und Profisurfern Boards aus einem Styroporblock hobeln und feilen, können den Brüdern en detail sagen, was 2003 auf ihrer Webseite zu lesen war – so intensiv haben sie die Neuigkeiten aus Wolfsburg verfolgt. Dass zwei junge deutsche Surfer, aufgewachsen weit entfernt von jeder höheren Welle, alles im Leben auf die Karte Surfboardentwicklung setzten und nun schon seit Jahren mit ihren Innovationen die großen Spieler der Surfboardindustrie vor sich hertreiben, wird von der Elite der Wellenreiter mit Dankbarkeit und Bewunderung honoriert. Ganz abgesehen davon, dass sie die Bretter mit der Hydroflex-Technologie für ihre einzigartigen Eigenschaften lieben: ihre Flexibilität, das geringe Gewicht, ihre Haltbarkeit und Umweltverträglichkeit.

Das Wellenreiten blickt auf eine 4000-jährige Tradition zurück.

Das Wellenreiten blickt auf eine 4000-jährige Tradition zurück; Foto: Odile Hain

“Psch, psch.” Noch einmal drückt Brauers die Pumpe durch. Während sein Bruder Rouven, der Shaper und bessere Surfer von beiden, mittlerweile die meiste Zeit in Kalifornien verbringt und dort die rund zehn Mitarbeiter anleitet, kümmert sich Sven um den Forschungs- und Entwicklungsstandort Wolfsburg. Außerdem – daher der derzeitige Arbeitsplatz Hannover, in der Nähe seiner Wohnung – ist er vor wenigen Wochen Vater geworden. Und vielleicht ist dies das sicherste Zeichen dafür, dass auch er mittlerweile an den eigenen Erfolg und den Durchbruch glaubt: “Es hat 23 Jahre gedauert. Aber jetzt können wir endlich unsere PS auf die Straße bringen”, sagt er.

Dass es überhaupt soweit gekommen ist, liegt unter anderem an dem Prinzen von Hohenzollern, dem Unternehmen VW, einem Zivildienstkollegen sowie einem Bademeister aus Melle, jener westfälischen Kleinstadt, in der die Brüder weit entfernt vom Meer aufwuchsen. Bei einem Familienurlaub auf der dänischen Insel Bornholm hatten der damals 15-jährige Sven und sein Bruder das Wellenreiten für sich entdeckt. Das Problem nur: Auf den Baggerseen in Westfalen gab es keine richtigen Wellen. Dafür im örtlichen Freibad. Sven und Rouven bettelten so lange den Bademeister an, bis er sie auch nach den Öffnungszeiten ins Becken ließ. Ein bescheidenes Vergnügen, wie die beiden bald feststellen mussten. Herkömmliche Surfboards waren nur für große Wellen konzipiert. Dass jemand auch auf der Nordsee oder gar im Schwimmbad Wellenreiten wollte, hatte kein Surfbretthersteller bis dahin bedacht. Die Bretter, die es zu kaufen gab, hatten viel zu wenig Tragfläche. Also fingen die Brüder an, ihre eigenen Boards zu bauen. Sven und Rouven experimentierten mit Materialien aus dem Baumarkt, vor allem Holz und Styropor. Akribisch untersuchten sie die Fahreigenschaften ihrer Prototypen und studierten den Zusammenhang zwischen der Wölbung des Bretts und seiner Beweglichkeit. Rouven war es, der irgendwann sagte: “Wenn man durch systematische Beobachtung Surfboards immer weiter optimieren kann, ist auch das perfekte Brett möglich.” Und das – da waren sich die Jungs aus Westfalen ganz sicher – würde eines Tages von ihnen stammen. Rouven begann eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann in der Zentrale der damals größten Kette für Surfbedarf, bei Funsport in Osnabrück. Tagsüber lernte er, wie das professionelle Surfgeschäft funktioniert, in den Abendstunden feilte er an seinem Traum. In Südfrankreich bestellte er sich unbearbeitete Schaumstoff-Surfbrettkörper, sogenannte Blanks, und bearbeitete sie in der alten Scheune seiner Eltern mit einem Hobel. Ähnlich wie ein Bildhauer einen Stein meißelt, verkleinert – shaped – auch der Surfbretthersteller das unbearbeitete Blank, oft um 40 bis 50 Prozent. Rouvens Idee: breitere, weniger spitze Bretter, die schweren Nordeuropäern mehr Tragfläche für das Surfen auf kleinen Nord- und Ostseewellen boten. Er nannte sie “Bufo”. Als Rouven Brauers seinen Zivildienst auf Sylt antrat, hatte er schon rund 200 “Bufo Boards” verkauft, jedes einzelne in mühsamer neunstündiger Handarbeit gefertigt. In der damals noch kleinen deutschen Surferszene galten seine ungewöhnlich geformten Bretter bereits als Geheimtipp. Doch fern der kleinen Nordseebrandung, dort, wo die Wellen hoch und die besten Wellenreiter zuhause waren, interessierte sich niemand dafür. Noch. Ein Zufall sorgte für den nächsten Entwicklungsschritt. Einer von Rouvens Zivildienstkollegen befasste sich in seiner Freizeit mit Luft- und Raumfahrttechnik und mit Bionik, jener Wissenschaft, die versucht, Prinzipien aus der Natur auf technische Probleme zu übertragen. Er äußerte an den “Bufo Boards” ernst zu nehmende Kritik. Rouven Brauers hatte ihm von der generellen Brüchigkeit eines Surfbretts erzählt – bei Wettkämpfen verbrauchen Profis manchmal pro Tag ein Board – und sein Kollege hatte das Sportgerät daraufhin genau inspiziert. Wie alle Bretter hatte auch das “Bufo Board” einen Körper aus Polyurethan- Kunststoff, eine stabilisierende Holzleiste in der Mitte und eine gehärtete, mit dem Körper verklebte Außenschicht. Die Analyse des Kollegen: Die Konstruktionsweise eines Surfboards ist von Grund auf falsch. Die Leiste in der Mitte ist überflüssig. Das Außenmaterial ist brüchig. Und der Kunststoff ist zu weich. Alles zusammen gibt dem Brett so wenig Spielraum, dass es unter Krafteinwirkung zwangsläufig zu einer Verformung des Innenmaterials kommen muss und damit zum Ablösen des Außenmantels. Sein Rat: “Orientiere dich an der Natur. Ein geknickter Grashalm findet immer wieder in seinen Urzustand zurück. Ein Bambusrohr ist zwar innen hohl, dank seiner Außenhaut aber extrem stabil.” Die Folge dieser Analyse kann man heute auf der Webseite von Bufo Boards bewundern: An einem holländischen Strand fährt ein Mann mit einem Motorrad über ein “Bufo Board” und benutzt es als Rampe. Jedes andere handelsübliche Surfbrett würde bei einer derartigen Belastung sofort zerbrechen. Doch dank seines speziellen Innenmaterials und einer bionischen Komposition aus Harzen für die äußere Beschichtung sind die heutigen “Bufo Boards” nicht nur umweltverträglich hergestellt, zu 100 Prozent recycelbar und im Schnitt um 30 Prozent leichter als die der Konkurrenz. Sie sind auch um ein Vielfaches robuster und flexibler. Ähnlich wie bei einer Pflanze, bei der das Verwachsen von Außenhaut und Innenleben Stabilität garantiert, ziehen sich auch beim “Bufo Board” unzählige Fasern aus der Außenhülle des Bretts in den Innenraum. So hält das Brett selbst größten Belastungen stand – etwa wenn es unter meterhohen Wellen begraben wird. “Suchen wir nach Wegen, die Konstruktionstechnik von Surfbrettern zu verbessern, orientieren wir uns bis heute am Schachtelhalm”, erklärt Sven Brauers, “einer speziellen, extrem schnell wachsenden und sich selbst reparierenden grasartigen Pflanze.”

Immer auf der Suche nach der perfekten Welle – zwei Surfer am Strand. Foto:

Immer auf der Suche nach der perfekten Welle – zwei Surfer am Strand. Foto: Odile Hain

Doch es dauerte, bis aus den Anregungen des Zivildienstkollegen das bionisch konstruierte Surfboard wurde. Nach Ende seines Zivildiensts zog Rouven Brauers nach Den Haag, in die einzige Großstadt also an der Nordsee, an deren Strand man surfen kann.Während Sven in Hannover Design studierte, jobbte Rouven als Bauarbeiter und Lkw-Fahrer – und surfte: vor der Arbeit, nach der Arbeit, an den Wochenenden. Er war so gut, dass er den lokalen Surfern auffiel. Und es sprach sich herum, dass seine Virtuosität zwar mit Können, vor allem aber mit seinen besonders geformten Brettern zusammenhing. Nur drei Monate nach seiner Ankunft in Den Haag gingen bei ihm so viele Bestellungen für die breiten, für schwache Nordseewellen geeigneten “Bufo Boards” ein, dass es ihm zum Überleben reichte. Gleichzeitig fingen die beiden Brüder gemeinsam an, sich mit Materialkunde, Luft- und Raumfahrttechnik zu beschäftigen – den Traum vom perfekten Surfbrett und den Tipp des ehemaligen Zivildienstkollegen immer im Hinterkopf. Sie sprachen mit Ingenieuren, Designern und Wissenschaftlern. Sie recherchierten im Internet und in Bibliotheken. Sie ließen sich von einem französischen Blank-Hersteller für verrückt erklären, als sie seine Surfbrettkörper ohne Holzleiste bestellten. Und immer wieder luden sie Freunde und Bekannte zu Testreihen mit ihren neuesten Prototypen ein. Meist mieteten sie dazu von ihrem Ersparten eine Wasserskianlage, notierten Gewicht und Schuhgröße der Testfahrer, die sie immer exakt dieselbe Strecke mit unterschiedlichen Brettern fahren ließen, und ermittelten so die unterschiedlichsten Werte. Beispielsweise den Einfluss der Schuhgröße auf die Fahreigenschaften eines Surfbretts. Die Akribie der Recherche war für die auf Lässigkeit und Coolness bedachte Surferszene ein absolutes Novum. Als Test galt in der Branche bis dahin, wenn ein Profi ein Brett im Freien ausprobiert und danach sein höchst subjektives Urteil abgegeben hatte.

So näherten sich die beiden über die Jahre ihrer Vision vom perfekten Board. Endlich, im Jahr 2000, das erste Resultat: ein Brett, das von einer stabilen Außenhaut aus Kevlar gehalten wurde, dem Material für kugelsichere Westen. Der Werkstoff machte das Brett zwar in der Herstellung sehr teuer, dafür aber besonders robust. Nach anfänglichem Zögern ließ sich die Surflegende Robbie Page zu Testfahrten überreden – und wurde zum Promoter. 2001 konnten die Fans in der einflussreichen Zeitschrift Surf Europe Bilder bewundern, die den 96-Kilo-Mann Page beim Herumhüpfen auf einem “Bufo Board” zeigten. Eine bessere Demonstration der Belastbarkeit ihres Bretts hätten sich die Brauers nicht wünschen können. “Wenn man einmal damit gesurft ist, will man nie wieder etwas anderes”, wurde Page zitiert. Die Boards wurden in der internationalen Surferszene schlagartig zum Hit.

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Foto: Odile Hain

Euphorisch versuchten die Brüder anschließend, ihre revolutionäre Kevlar- Hülle bei einem Patentanwalt schützen zu lassen – und lernten, dass die Jahre der mühsamen Forschung und Entwicklung nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer marktfähigen Innovation gewesen waren. Ihnen folgten frustrierende Erfahrungen mit Gründerberatern, Wirtschaftsförderern, Banken und privaten Geldgebern. Sven Brauers fasst sie heute knapp zusammen: “Erfinder gelten als durchgeknallt. Surfer können nicht mit Geld umgehen. Und Gründer haben keine Ahnung von irgendwas.” Noch heute wird seine Stimme laut, wenn er erzählt, wie sie nach einem dreistündigen Vortrag über den Markt für Wellenreiten von einem der anwesenden Banker gefragt wurden: “Und wo genau montieren Sie die Segel?” Die Brauers, durch die schon 15-jährige Entwicklungsphase in Geduld geübt, ließen sich nicht beirren. Zunächst fanden sie Unterstützung beim Erfinderzentrum Norddeutschland, einer staatlichen Fördergesellschaft für junge Gründer. Sie gewährte den Brüdern 75 Prozent der Patentkosten, die mit rund 180 000 Euro zu Buche schlugen, als zinsloses Darlehen – zunächst 2002 und noch einmal im Jahr 2003. Der zweite Kredit war nötig, weil es Rouven gelungen war, den starren, und teuren Kevlar-Mantel durch die heutige bionische Konstruktion zu ersetzen, während Sven seine Zeit mit zähen Investorengesprächen verbrachte. Als nächster Förderer der Brauers erwies sich die Wolfsburg AG, eine Volkswagentochter, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, innovative Unternehmen im Wachstum zu unterstützen. Drei Monate lang überprüften Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft und Vertreter von Volkswagen-Zulieferfirmen die innovative Surfbretttechnik. Im April 2005 zogen die Brüder auf den Innovationscampus, eingestuft in der höchsten Kategorie, als High-Potential-Start-up. Zwar wuchs in der Folge die Nachfrage nach den “Bufo Boards” weiter. Zudem hagelte es renommierte Preise und Auszeichnungen für die Surfboardkonstruktion, darunter den “Ispo Brand New Award” auf der internationalen Münchener Sportmesse Ispo oder den “iF Material Award” in der Kategorie Concepts vom Internationalen Forum Design. Doch die Margen, die die Brüder mit ihren Boards erzielten, waren zu gering, um das dringend nötige weitere Wachstum zu finanzieren. Den Brauers fehlte das Geld, um in eine größere Produktionsstätte, Marketing oder Mitarbeiter zu investieren. Nicht einmal Flüge in die USA konnten die beiden sich leisten, um nach Partnern aus der Surfboard-industrie zu suchen. “Zu dem Zeitpunkt hatte ich kaum mehr als einen gesellschaftsfähigen Pullover und eine Hose im Schrank”, sagt Brauers. Zwar meldeten sich zahlreiche potenzielle Geldgeber bei den BrÜdern. Sie boten ihnen jedoch überwiegend “Knebelverträge” (Sven Brauers) an und machten kaum einen Hehl daraus, dass sie die prekäre Lage der Brüder ausnutzen wollten. Ein business angel – ein Betriebswirt, der sich schon im Ruhestand befand – unterstützte die beiden in dieser Zeit kostenlos und stärkte ihnen den Rücken, sich trotz der schwierigen Lage nicht unter Wert zu verkaufen. Endlich, es war kurz vor knapp, wurde ein Mitarbeiter der Investmentgesellschaft PvH Capital des Prinzen von Hohenzollern auf die Brauers aufmerksam. Mit seinem Privatflugzeug kam Karl Friedrich Prinz von Hohenzollern Ende 2006 persönlich nach Braunschweig geflogen und ließ sich das Unternehmen von den Brüdern erklären. “Wir haben deutlich gemacht: Das ist unsere Lebensaufgabe, und wir werden alles dafür geben, dass sie ein großer Erfolg wird. Aber wir wollen dabei ein gutes Gefühl behalten.”

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Foto: Odile Hain

Der Prinz verstand, war begeistert, vertraute ihnen und investierte – ohne die Mehrheit an den Anteilen für sein Engagement zu verlangen.
Gestärkt durch das neue Geld, zogen sie in eine größere Produktionshalle in der Nähe des Wolfsburger Innovationscampus. Sie nahmen einen dritten Geschäftsführer auf, der sich vornehmlich um die Finanzen kümmerte, und sie fingen an, Mitarbeiter für die Produktion anzustellen – vornehmlich vorbestrafte Jugendliche, die der Verein “Lebenshilfe” an sie vermittelte. Auf bis zu 14 Mitarbeiter wuchs die Firma. Und ganz nebenbei entwickelten die Brauers die nächste Innovation für die Surfboardindustrie: die Möglichkeit, den Luftdruck im Board per Hand und Pumpe zu verändern, ohne dass sich das Brett verformt. “Auch dazu hat uns der Schachtelhalm inspiriert”, sagt Sven Brauers. Dass sie Anfang 2009 in ihrem Unternehmensbeirat beschlossen haben, die Produktion in die USA zu verlagern, “hatte nichts mit den Arbeitsbedingungen in Deutschland zu tun”. Die ungünstigen Wechselkurse hatten es schwierig gemacht, die ohnehin durch ihr Material, die Konstruktionsweise und die Lohnkosten bereits teureren “Bufo Boards” gewinnbringend für den Weltmarkt zu produzieren: 750 Dollar und aufwärts kostet ein Brett der Brüder, gut 150 Dollar mehr als die Produkte der Konkurrenz, die häufig in Fernost zu niedrigen Löhnen und bei lascheren Umweltstandards produzieren lassen. Zudem, sagt Brauers, hätten sie festgestellt, wie wichtig es ist, vor Ort beim Kunden und dem Rest der Surfboardindustrie präsent zu sein. “Heute braucht mein Bruder nur vor der Arbeit surfen zu gehen und trifft dabei die besten Surfer, all unsere wichtigsten Kunden und Geschäftspartner in den Wellen.”

Vier Wochen, nachdem sie ihre Produktion in den USA eröffnet hatten, mussten die Brauers aufgrund der guten Auftragslage bereits in eine größere Halle wechseln. Und auch jetzt quillen die Auftragsbücher schon wieder über: Mit neun Mitarbeitern produzieren sie mittlerweile in Oceanside ihre Boards, von denen zwei Drittel in Lizenz an andere Unternehmen gehen, den Rest verkaufen sie unter ihrer Eigenmarke “Bufo Boards”. Geht es so weiter, werden sie wohl spätestens 2012, also genau 25 Jahre nach ihren Testreihen im westfälischen Wellenbad, erstmals schwarze Zahlen schreiben. Zudem hoffen die beiden, dass sich ihre Hydroflex- Technologie bei Surfboards zu einem ähnlichen Standard wie Goretex in der Bekleidungsindustrie entwickeln wird.
“Psch, psch.” In Hannover ist es Mittag geworden, und Brauers hat noch immer die Pumpe in der Hand. “Natürlich”, sagt er, kurz bevor er aufbricht, um Zeit mit seinem drei Wochen alten Sohn zu verbringen, “wir haben nun mehrfach bewiesen, dass wir in der Lage sind, das Surfboard neu zu denken.” Dennoch würden sie ihren Durchbruch nicht nur ihren guten Produkten verdanken, sondern auch der Offenheit der Surfer. “Zwei Deutsche, die den Kaliforniern erklären, wie man bessere Surfboards baut”, sagt Brauers, “das ist, wie wenn Inder Bayern erzählen würden, wie man die Weißwurst neu erfindet.”

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