28 Apr Großkatze sucht Dompteur
Nach dem Roadster hat Jaguar jetzt auch das zweite Straßenraubtier von der Leine gelassen: Mit dem neuen F-Type Coupé beweist die Marke, dass die britische Tradition großer Sportwagen höchst lebendig ist.
Was macht man, wenn man über Nacht zur Bestsellerautorin avanciert? Francoise Sagan kaufte damals Mitte der fünfziger Jahre von ihren Einnahmen einen Jaguar XK 140. Die mondäne Melancholie ihres Romans „Bonjour Tristesse“ war ur-französisch, aber die Vorliebe der Autonärrin war britisch. „Mit Geld kann man kein Glück kaufen“, schrieb sie einmal, „aber lieber in einem Jaguar weinen als im Omnibus.“ Legendär ist ihre nächtliche Rennfahrt von Paris an die Cote d`Azur nach einer alkoholseligen Wette in einer Bar.
Die Frühvollendete lebte auf der Überholspur, das galt für das Leben wie auf der Straße. Der Nachfahre ihres geliebten XK 140, der heute als Juwel eher gemächlich auf Klassiker-Rallyes unterwegs ist, hätte ihr auf Anhieb gefallen. Adieu Tristesse. Anders als bei der offenen Variante des F-Type, konnte Jaguars Chefdesigner Ian Callum hier eine tiefe, rassige Dachlinie bis zum knackigen Heck ins Metall modellieren, akzentuiert durch ein großzügiges Panorama-Dachfenster. Nichts ist hier überflüssig, alles darauf ausgelegt, dem Fahrtwind möglichst wenig Widerstand zu bieten. Seine Feinabstimmung bezüglich dem hochathletischen Zusammenspiel von Fahrwerk, Getriebe und – ja doch – Bremsen erhielt der F-Type am Nürburgring. Die legendäre Rennstrecke war Schauplatz vieler spannender Momente in der großen Motorsportgeschichte von Jaguar. Ein Nimbus, der auch der Sagan zu Ihren Lebzeiten wohlbewusst war.
Jaguar-Liebhaber denken beim Anblick des F-Type Coupé aber nicht an den XK 140 mit seinen geradezu barocken Kotflügeln, sondern an eine andere Ikone der Marke: der E-Type höchstpersönlich. Die schlichte Extravaganz seiner Formensprache machte den Sportwagen in den sechziger Jahren zum großen Gegenspieler beispielsweise von Ferrari. Vierzig Jahre haben die Fans des britischen Understatement auf einen Nachfolger gewartet. Kein leichtes Unterfangen für die Designer und Entwickler bei dieser Erwartungshaltung auf E nun das F folgen zu lassen.
Egal, wie groß der Liebeskummer à la Sagan, in diesem F-Type Coupé können einfach keine Tränen vergossen werden (allenfalls – vielleicht – beim Aussteigen). Das fängt an bei dem kompakten, in Leder ausgeschlagenen Cockpit, den sportlichen Sitzen, welche den Fahrer auch bei Kurvenfahrten im Griff haben und natürlich beim Lenkrad, in dessen Mitte der Raubkatzenkopf verheißungsvoll prangt.
Diesen Jaguar erleben, bedeutet nicht nur die Steifigkeit der Karosserie erfahren sowie die Kraftverteilung, wenn sich die Großkatze kurvenhungrig in den Asphalt krallt. Man kann das Coupé von Hand schalten oder sich auf die Achtgang-Quickshift-Automatik verlassen, die ihrem Namen alle Ehre macht und eng abgestuft aber flüssig den Sportwagen nach vorne beschleunigt. Doch was wäre ein Sportwagen ohne den Sound? Wie beim Roadster gibt es für das Coupé zwei Varianten des aufgeladenen 3,0-Liter-V6-Motors. Beim Basis-Coupé werden 340 PS entfesselt, bei der S-Version sind es schon 40 PS mehr. Beide liefern vom Start weg nicht nur ein hohes Drehmoment, sondern begleiten diese Dynamik mit beeindruckendem Knurren. Aber hier kommt noch ein bisschen Sound-Design ins Spiel. Wenn man in der Mittelkonsole den Knopf drückt, der mit Auspuffendrohren gekennzeichnet ist, zündet auch die Klangkulisse den akustischen Turbo und macht das Cockpit zum Raubtiergehege.
Für das Coupé, das noch stärker von Rennsport-Genen geprägt ist, hat die Marke eine zusätzliche Variante aufgelegt, die diesen F-Type zum stärksten Jaguar aller Zeiten kürt. R wie Rrrrr bedeutet hier acht Zylinder, die aus fünf Liter Hubraum brachiale Kraft schöpfen und 550 PS auf die Strasse bringen. Auch ohne den Sound-Knopf blubbert und faucht es gewaltig. Das große Triebwerk besitzt eine spezielle Getriebesteuerung, die den V8 immer im optimalen Leistungsbereich hält.
Die neue F-Type-Modellfamilie erinnert überzeugend daran, dass Jaguar in seiner Geschichte nicht nur elegante Cabrios und Limousinen zu bauen verstand. Das unterstreicht auch der Slogan der neuen Werbekampagne: „It´s good to be bad“. Das hätte dem einstigen Bad Girl Francoise Sagan sofort eingeleuchtet.
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