10 Sep Rennstreckentraining mit Porsche: Das Limit im Blick
Monza. In der Welt des Motorsports hat die legendäre italienische Rennstrecke einen verheißungsvollen Klang. Porsche lud ein, Übungsrunden auf diesem großen Kurs zu drehen, um hautnah dieses Feeling zu erleben. Allerdings unter Anleitung von zwei jungen, versierten Le Mans-Rennpiloten.
Wer noch nie in Monza war, ist zunächst leicht irritiert. Denn die vornehm verborgene Einfahrt zum Autodromo Nazionaledi Monza führt durch einen baumreichen alten Park – die königliche Grünanlage dieser Stadt nördlich von Mailand. Was ebenfalls irritiert, sind die heftigen Regenschauer, die Porsche für diesen Ausflug auf die Rennstrecke durchaus nicht bestellt hatte. Graue Nässe gehört für Neel Jani und Marc Lieb aber quasi zum Berufsalltag, zumal die beiden Werksfahrer gerade eben mit dem Hybrid-Rennwagen 919 die Rückkehr Porsches zu den 24 Stunden von Le Mans gefeiert hatten. Das berühmt-berüchtigte französische Langstreckenrennen, das auf teils öffentlichen (aber abgesperrten) Landstrassen stattfindet, ist bekannt für sein schlechtes Wetter.
Monza umgibt nicht nur historisches Motorsportflair, das von einem intensiven Gemisch aus Benzin, Öl und Gummi angereichert ist. Die knapp 5,8 Kilometer lange Strecke des Grossen Preises von Italien gilt auch als schnellste im Formel-Eins-Zirkus. Michael Schumacher erreichte während seiner aktiven Zeit hier Geschwindigkeiten von annähernd 370 Kilometer in der Stunde. Davon kann jetzt keine Rede sein. Denn nicht nur, dass sich Pfützen auf der Strecke gebildet haben, aber in der Gischt des Vorausfahrenden tendiert die Sicht gegen Null. Nichts für Anfänger.
Bevor man in die Porsches steigt, die in der Boxengasse warten, geht es zunächst zur Helmprobe. Man zieht eine enge Sturmhaube über den Kopf, anschließend den mächtigen Helm mit Bordfunk. Dann hat man noch die Qual der Wahl. Fängt man mit dem 911 4S an? Oder wählt man zunächst den Boxster GTS? Oder doch den Cayman GTS? Brav aufgereiht geht es dann hinter Marc Lieb aus der Gasse auf die Rennstrecke. Nach der ersten kürzeren Geraden kommt eine scharfe Rechtskurve, dann eine ebenso kurze links-rechts Schikane, deren enge Kurven nicht zu schnell angefahren werden dürfen. Die Topversion des Cayman hat 340 PS (250 kW) und könnte theoretisch den Sprint von 0 auf 100 in 4,8 Sekunden bewältigen, um dann eine Spitze von 283 km/h zu erreichen. Aber vor allem hat er einen wie im Rennsport mittig eingebauten Motor, der eine optimale Gewichtsverteilung erlaubt. Während man sich noch mit dem Streckenverlauf vertraut macht, hat man Marc im Ohr, der ein Grundprinzip des Kurvenfahrens mit ruhiger Stimme mitteilt: „langsam rein, schnell raus“. Dann geht es auf diese berühmte lange Gerade, die den Nimbus der Speedarena Monza begründet hat. Der Regen hat ein Einsehen und die Strecke trocknet bei den sommerlichen Temperaturen schnell ab. Wo man vorher im Cayman mit innerer angezogener Handbremse die Tachonadel bei exakt 100 gehalten hatte, geht es jetzt mit dem Boxster GTS (300 PS/243 kW) deutlich schneller in Richtung lange Gerade. Was nicht nur daran liegt, dass auch der Mittelmotor-Boxster „satt“ und sicher auf dem Asphalt beschleunigt, sondern dass auch der Neuling den Streckenverlauf abgespeichert hat. Und irgendwann stellt sich auch ein wunderbares Gefühl für den Rhythmus dieses Motodroms ein. Spätestens im mächtigen 911 4S (400 PS/294 kW) mit dem klassischen Heckmotor erreichen die Rundenzeiten zwar noch lange nicht Profi-Niveau, aber der Umgang mit beschleunigen, bremsen, schalten, mit der schieren Bewegung wird merklich flüssiger – und genußvoller.
„Traut euch ruhig mehr“, fordert Marc freundlich über Bordfunk auf. „Ihr seid noch lange nicht im Grenzbereich.“ Wie sich der annähernd anfühlen könnte, zeigt Marcs Kollege Neel mit zwei Superstars des Zuffenhausener Unternehmens, dem 911 GT3 und dem neuen Hybrid-Sportwagen 918. Beide haben unverkennbar Motorsportgene, die für die normalen Straßen zwar gebändigt wurden, aber dennoch nichts von ihrer deutlichen Präsenz verloren haben. Im Cockpit auf dem Beifahrersitz mit einem Sechspunktgurt festgezurrt, kann man nur noch Staunen, mit welch hohen Tempi Neel sicher die Schikanen ansteuert. Wie auch die anderen aus dem Stall hat der GT3 einen Sechszylinder, allerdings besitzt dieses Leistungsstufe einem Hubraum von 3,8 Litern, 440 Newtonmeter Drehmoment, 475 PS (350 kW) und 315 km/h Höchstgeschwindigkeit. „Trotz dieser Daten ist dieses Fahrzeug so sicher“, schwärmt Neel. Und es hat einen Sound, der den Ernst seiner Mission laut und deutlich vernehmen lässt.
Anders als der Hybrid, dessen renntauglicher Bruder 919 in Le Mans auf dem besten Wege war, aufs berühmte Treppchen zu fahren, wenn die Technik nicht in den letzten Stunden gestreikt hätte. Der V8-Motor und zwei Elektromotoren sorgen für eine atemberaubende Systemleistung von 887 PS, welche diesen Flunder flachen High-Tech-Athleten die Sieben-Sekunden-Marke am Nürburgring knacken ließ. In Monza genügte es, zu erleben, wie der Spyder aus der Boxengasse Richtung 100 km/h Fahrt aufnahm – und man schon im reinelektrischen Modus nachhaltig in den Sitz gepresst wurde.
Rennfahrer ist ein Lehrberuf, der ganz buchstäblich nach Erfahrung verlangt. der 33jährige Marc Lieb hat schon viele Rennen gewonnen und war als Fahrzeugtechnik-Ingenieur auch bei der Entwicklung des 918 beteiligt. Es macht natürlich einen Unterschied, ob man hochkonzentriert zwei Stunden am Steuer sitzt oder abwechselnd im Team über 24 Stunden. „Wir fahren immer am Limit. Man kann nicht nachlassen. Aber danach brauche ich einige Tage bis ich wieder fit bin.“ Was für einen hoffnungsvollen Jungschauspieler der Anruf aus Hollywood, war für ihn der Anruf von Porsche, die „Einladung zur Sichtung“ der vielversprechenden Junioren. Wie im Fußball so sind auch im Motorsport Scouts unterwegs, die Ausschau nach Talenten halten.
Wie jeder Rennfahrer, so ist auch Marc ein umsichtiger Pilot, der intelligent Risiken einschätzt und die Grenzen kennt – anders als so mancher Möchtegern auf der Strasse. Ein paar Tipps, die auf der Rennstrecke genauso ihre Berechtigung haben, wie im normalen Straßenverkehr:
„Immer vorausschauend fahren und mit den Augen dahin sehen, wo man hin will. Keine Hektik aufkommen lassen, denn dann macht man Fehler.“ Und: „nicht digital fahren.“ Darunter versteht er, auf abruptes Bremsen und Beschleunigen zu verzichten. „Wir fahren alle mit Gefühl.“
von Alexandra Felts, Quality Motion Ressort
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