07 Jan Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Deutschland – das Land der Dichter und Denker.
Und natürlich der Automobile. Kein Wunder, dass diese Welten irgendwann zueinander finden mussten.
Es ist das Jahr 1952 und Automobil Deutschland ist in sehnsüchtiger Erwartung des neuen Mercedes-Benz 180.
Mit dem bis heute auch als Kleiner Ponton-Mercedes bekannten Pkw beginnt nicht nur der Siegeszug des Dieselmotors, sondern auch der Hype um die sogenannten Erlkönige.
Unscheinbare Amateuraufnahmen
des bis dato streng geheim gehaltenen und verkleideten Prototypen garniert der Journalist Werner Oswald mit einer Umdichtung
der berühmten Verse aus Johann Wolfgang von Goethes gleichnamiger Ballade: „Wer fährt da so rasch durch Regen und Wind? Ist
es ein Straßenkreuzer von drüben, der nur im Umfang zurückgeblieben oder gar Daimlers jüngstes Kind.?“ Ein journalistischer
Coup und für damalige Verhältnisse eine nie dagewesene Provokation für die verschwiegene Automobilindustrie.
Von nun an bezeichneten
Oswald und seine Kollegen alle Prototypen als Erlkönige und schon bald etablierte sich der Begriff auch im alltäglichen
Mobil-Sprachgebrauch.
Die Geheimniskrämerei von damals ist im Laufe der Zeit zu einer ausgereiften Marketingstrategie gewachsen, auf die die Industrie ungern verzichtet. Zu sehr wissen sie um die Macht der
Neugierde und die Macht der Bilder. Aus den monochromen, meist mattschwarzen Verkleidungen damaliger Prototypen, mehr
Panzer als Auto, entwickelten sich kunstvolle Designobjekte, die selbst dem legendären Reisebus von Oberhippie Ken Kesey und
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
seinen Merry Pranksters Konkurrenz gemacht hätten. Ob Op-Art,
Psychedelica oder geometrische Kunst – mittlerweile wetteifern
die Entwickler auch um die besten Blickfänge ihrer gar nicht mehr
so streng geheim gehaltenen Erlkönige.
Technische Gründe unterstützen die optische Entwicklung.
Die extravaganten Designs überdecken die genauen Proportionen
und Details der sich in Entwicklung befindenden Vehikel. Sie bleiben
im Chaos der Formen für das menschliche Auge unsichtbar.
Eine Idee, die die Industrie der Militärgeschichte entlehnt hat. Der
Künstler Norman Wilkinson tarnte ab 1917 britische Kriegsschiffe
mit geometrischen Mustern und begründete damit das sogenannte
dazzle painting.
So war die exakte Geschwindigkeit, Größe und
Richtung der Schiffe für feindliche Flotten nicht zu ermitteln. Die
letzten Geheimnisse wollen der neugierigen Öffentlichkeit dann
doch nicht offen gelegt werden.
Womit der Hype auf die serienreifen
Automodelle nur noch weiter befeuert werden dürfte.
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