13 Feb Bavarian Understatement
In kaum einem Land wird Oldtimern so viel Wert beigemessen wie in Italien. Da verwundert es kaum, dass der beliebteste automobile Schönheitswettbewerb Concorso D’Eleganza im norditalienischen Cernobbio am Comer See stattfindet.
Natürlich war auch Motion Redakteur Matthias Arens zugegen. Er traf dort Edgar Heinrich, den Designchef von BMW Motorrad. Nach ein paar Jahren in Indien, wo er für Bajaj Auto Ltd tätig war, ist Heinrich wieder fest in München angekommen. Auch wenn in Indien jeder Tag prall gefüllt mit neuen Eindrücken war, so scheint er die Rückkehr in seine Heimat keineswegs zu bereuen. Zum Elefanten-Polo konnte er uns leider nichts erzählen, aber dafür hält er einige Informationen für die Zukunft des Motorrads bereit. Er gibt sich selbst bescheiden und sagt: “Ich hab keinen Lifestyle” und beweist, dass er ganz uneitel das Understatement mitbringt, das den Designchef eines Weltmarktführers auszeichnen sollte.
Was interessiert Dich an Motorrädern mehr als an Autos?
Es gibt schon ein paar Autos, wo ich denke, dass sie cool sind, aber ich bin wirklich überhaupt kein Autofreak. Mein erstes Fahrzeug war auch ein Motorrad, welches ich meinem Bruder abgekauft habe, bevor ich überhaupt einen Führerschein hatte. Eine 250er, 2 Zylinder – was man damals eben so hatte. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und musste, als ich den Führerschein gemacht habe, erstmal lernen, dass es in einer Stadt deutlich mehr Schilder und Verkehrsregeln gibt, die es zu beachten gilt.
Wie sieht es mit 3-Rädern aus? Fahrzeuge, die eher ein Zwitter zwischen Auto und Motorrad sind?
Ich muss zugeben, ich steh nicht auf Dreiräder. Alles mit 3 Rädern find ich irgendwie komisch. Es macht mich einfach nicht an. Damals in der Garage meiner Eltern hab ich sogar versucht, das vorhandene Dreirad zum kippen zu bringen. Und hab gleich gemerkt: 3 Räder sind eher instabil als stabil. Das macht nicht wirklich Spaß.
Was ist Deine persönliche Leidenschaft? Bist du „nur“ Designer oder schraubst du auch gerne mal selbst?
Ich schraub gerne selbst – sei es für normalen Kundendienst oder auch für das Restaurieren von alten Modellen. Außerdem sind die meisten meiner Motorräder umgebaut. Ich hab auch Verkleidungen gebaut ganz nach dem Motto: “Was nicht gefällt wird anders gemacht”. Derzeit fehlt mir dafür leider mehr und mehr die Zeit. Und es bleiben natürlich einige Projekte liegen, zu denen ich zeitlich nicht komme. Aber zumindest hab ich endlich meine HP2 wieder auf Vordermann gebracht.
Wenn Du ein Motorrad designst, welchen Lifestyle — auch im übertragenen Sinn gesehen, wie Leute in der Zukunft leben werden — hast Du dabei im Auge?
Man muss da zwischen zwei Welten unterscheiden. Zum einen gibt es Hardcore Motorradprodukte wie Doppel R — wo Funktionalität, Technologie und Innovation von höchster Bedeutung sind. In der Scooter-Welt sind andere Funktionen wichtiger, als die letzte Schraube in der Technologie. Das ist für BMW sehr interessant, da BMW in seiner 90jährigen Geschichte immer sehr innovativ und technologiegetrieben war. Aber in einer Zeit, wo Überfunktionalität vorherrscht, macht es nicht viel Sinn, noch mehr Funktion einzubauen. Es macht viel mehr Sinn, Innovation in einem Bereich zu bringen, wo etwas wirklich neu und anders ist. Dazu gehört Design und eine andere Art von Funktionalität, wie zum Beispiel Konnektivität — wie ich mein Leben mit meinem Fahrzeug verbinde. Wie kann ich eine Synthese zwischen meinem normalen Leben und dem Leben am Fahrzeug erzeugen. Nicht noch einen Gadget mehr, noch ein Detail extra.
Wie sieht es dabei mit Elektro-Motorrädern aus? Wenn man dabei überhaupt noch von Motorrädern und nicht besser von Zweirädern sprechen sollte. Was gibt es da für Ansätze bei BMW?
In den 20er und 30er Jahren gab es eine Vielzahl von Konzepten, wie Design aussehen kann. Heute sehen fast alle Designs gleich aus. Auf dem neuen Terrain der Elektromobilität können wir wieder viele neue Konzepte ausprobieren. Für mich ist das ein spannender Moment im Design. Wir haben die Chance, uns wirklich breit aufzustellen, verschiedenes zu testen und nicht nur den Mainstream von heute zu übernehmen. Oft ist es so: Motor raus, Elektrobatterie rein. Aber wir versuchen, weiter zu denken. Man muss durch das Design erkennen: das ist etwas Neues. Das ist anders.
Woher kam die Inspiration zum eckigen, futuristischen Scooter?
Elektromobilität emotional hinzubekommen ist eine relativ schwierige Nummer. Etwas wirklich Cooles, Modernes, Anders-gedachtes gut umzusetzen. Ich bin selbst eher nicht der Elektro-Typ, aber hier haben wir etwas hinbekommen, womit auch ich gerne durch die Stadt fahren würde.
Denn wir sind uns einig: Elektromotoren wird es zuerst in der Stadt geben. Es wird ein Punkt kommen, wenn Elektromotoren besser und bezahlbarer sind als Verbrenner. Wir sind noch nicht da, aber es wird kommen. Irgendwann werden sich die Kurven annähern, schneiden und letztlich das eine das andere ablösen. Ob das in 5, 10 oder 20 Jahren passiert, wird sich zeigen. Man muss beim Fahren auch bedenken, dass ein Elektromotor von Anfang an ein volles Drehmoment hat. Man zieht vor den anderen Motorrädern schnell weg.
Wie stark ist das Motorraddesign von BMW Ausdruck Deiner eigenen Persönlichkeit?
Eigentlich gar nicht. Ich merke oft, wie viel ich von meinen Jungs im Team lerne. Eines Tages kommt jemand und sagt: “Du machst jetzt mal den großen Chef.” Und da ist es anfangs schwer loszulassen, weil man glaubt, man kann das selbst am besten. Aber tatsächlich stelle ich oft fest, dass meine Jungs das viel besser können.
Motivation und Kreativität kannst du nicht verordnen, man kann es nur zulassen. Ich versuche, ein Umfeld zu schaffen, wo die Jungs Spaß an der Arbeit haben und wo sie die Möglichkeit haben, irgendwelche schrägen, coolen, innovativen Dinge zu machen. Ich weiß nicht, ob ich das besonders gut kann, aber ich bekomme es hin. Doch nicht durch: “Ich will das so und so haben!” Vielmehr indem ich sage: “Probier doch mal, mach doch mal, guck doch mal.”
Denkst Du beim designen in Epochen?
Man lernt ständig hinzu. Es stecken aber viele Dinge in jedem Design, die einfach passieren, die gar nicht so geplant waren. Aber man merkt durch die Reaktion der Fahrer, dass es gut war und man freut sich. Aber im selben Moment stehe ich als Designer da und denke: “Das war cool, aber ich würde es schon wieder anders machen.” Designer sind nie bange um neue Ideen. Im Gegenteil, man muss irgendwann sagen: “Jetzt ist Schluss!” Wenn etwas gezeichnet ist, kommt schon wieder die nächste Idee.
Es dreht sich bei mir sowieso alles ums Motorrad. Ich geh heim, und da stehen die Motorräder. Wenn ich Zeit hab, schraub ich rum, und wenn ich mehr Zeit hab, fahr ich rum, oder bin mit Kumpels zusammen, die auch fahren. Ich geh nicht in meine Arbeitswelt, um zu arbeiten und in meine Privatwelt und mach dann mein Privatleben. Das ist alles miteinander verwoben.
Noch eine letzte Frage: welches unter Deinen Motorrädern ist dein Lieblingsbaby?
Wenn ich mich entscheiden müsste wäre es die HP2 Enduro. Sie ist schon ziemlich umgebaut, aber hat eine coole Kombination: unter 200 Kilo, 105 PS, 180er Reifen, 180er Kennzeichen, Schmiedefelge.
Bilder: © Hermann Koepf
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