07 Mai Farbe eins
Ans Licht geholte Schönheiten – for MINI by Scholten & Baijings
„Ein Concept Car ist ein fertiges Auto“, sagt Carole Baijings und stellt damit klar, dass sie sich unter einem Konzept etwas anderes vorstellt. Für die Installation „COLOUR ONE for MINI by Scholten & Baijings“, die sie und ihr Partner Stefan Scholten zur diesjährigen Mailänder Design-Woche entwickelten, gingen sie deshalb einen anderen Weg: Schicht für Schicht drangen sie zu den Einzelteilen eines MINI ONE vor und lösten sie aus dem Kontext des Fahrzeuges. Sie reduzierten die Volumina der Bauteile, um zu ihrem Wesen vorzudringen. Die herausgelösten „Art Parts“ versahen sie mit neuen Texturen, Materialien und Farben.
Für mache Funktionen, wie etwa die Belüftung, ersannen sie gänzlich neue Lösungen. „Wir häuteten das Auto wie eine Zwiebel“, so Stefan Scholten. Aus der ursprünglichen Umgebung eines mit Bauteilen überfrachteten Fahrzeugs gelöst, offenbarten Objekte wie das Armaturenbrett oder das Lenkrad eine eigene Schönheit, die das Amsterdamer Designduo mit leuchtenden Farbpigmenten betonte. Sie entwickelten einteilige, transparente Gießharzreifen, mit denen sie die Frage aufwerfen, warum ein Reifen immer aus mehreren Teilen bestehen muss und bisher kaum die Dynamik vermittelt, die seiner Bedeutung entspricht. Die Türen überzogen sie mit mattem Porzellanlack, Farbverläufen oder goldener Textur. Für Sitze und Gurte entwickelten sie Stoffe, die an die Rallye-Historie der Marke erinnern sollen. Die Außenhaut des Fahrzeugs durchbohrten sie mit einem Raster aus Tausenden von Löchern, das zum Fahrzeugheck hin ausläuft und die Funktion der Belüftung übernehmen soll. Die Fahrzeugfenster bedruckten sie mit unscharfen Bildern vorbeiziehender Landschaften, die symbolisch für den Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stehen sollen.
Scholten & Baijings machten sich in den letzten Jahren in der Designwelt einen Namen mit Entwürfen, die eine starke konzeptionelle Idee mit feinsinnigen Farb- und Materialkonzepten verbinden. Vor allem die kräftigen Neonfarben und feinen Farbverläufe, die sie auf Möbel, Textilien oder Geschirr übertragen, gelten als charakteristische Handschrift des Duos. Dass die beiden kein klassisches Concept Car entwickeln, sondern die Sache grundsätzlicher angehen würden, war BWM-Group- Designchef Adrian van Hooydonk und MINI- Chefdesigner Anders Warming schon beim Auftrag an Scholten & Baijings klar.
Das poetische Ergebnis aber überraschte alle Beteiligten des Unternehmens und wird, so Warming, in vielen Bereichen als Inspirationsquelle für MINI dienen. Unter dem transparenten Pavillondach in einem Innenhof der Mailänder Staatsuniversität wirkten die präsentierten Objekte fast wie Preziosen in einer Sammlervitrine. Die Inszenierung zählte damit zu den schönsten, aber auch hintersinnigsten der Designwoche. Denn hier feierte eine Marke sich nicht selbst, sondern erlaubte einen überraschenden Blick auf viel zu selten in Frage gestellte Typologien, ein unbefangenes Spiel mit der Schönheit der Formen, Texturen und Farben und vor allem einen völlig neuen Umgang mit dem, was ein Concept Car auch sein kann: eine Reflexion über den Designprozess, die Identität einer Marke, die Kultur des Fahrens und vor allem über die subjektiven und emotionalen Aspekte, die letztlich den Wert eines Fahrzeugs ausmachen.
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