Eine Diva namens Riva

Riva ist mehr als eine Werft. Seit 170 Jahren definieren die Bootsbauer aus dem norditalienischen Sarnico, was Eleganz auf dem Wasser ist. Zum runden Geburtstag fuhren Riva-Enthusiasten ein Rennen von Monte Carlo nach St. Tropez und gratulierten Carlo Riva zum 90. Geburtstag.

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Es gibt nur ein Motorboot, das überzeugte Segler ohne Zögern steuern würden: eine „Aquarama“ von Riva. Vor genau fünfzig Jahren wurde das Modell erstmals zu Wasser gelassen, das zum Lieblingsspielzeug des Jetsets der sechziger und siebziger Jahre avancierte. Ob Gunter Sachs, Brigitte Bardot oder Ingrid Bergmann: Sie alle nannten eine Riva ihr Eigen und jagten mit dem zweimotorigen Holzboot über die Wellen vor St. Tropez und Portofino hinweg. Noch heute gilt die „Aquarama“ als Inbegriff des Dolce Vita. Mit ihrem schlank zulaufendem Heck, ihrer rotbraunen Mahagoni-Beplankung sowie einer gepolsterten Liegefläche zum Sonnenbaden war ihre  Gestalt so ikonisch wie die eines Jaguar E-Types. Auch wenn die von Hand gefertigten Preziosen den Status ihrer Besitzer zweifelsohne zu erkennen gaben, wirkten sie weder protzig noch prätentiös. Ihre Stärke lag in einer für heutige Verhältnisse geradezu kompakten Bauweise, die die Wendigkeit eines Rennbootes mit dem entscheidenden Maß an Eleganz in Verbindung brachten.

Konstruiert wurde die „Aquarama“ von Carlo Riva. Der Ur-Enkel des Firmengründers Pietro Riva hat das Unternehmen in den späten fünfziger Jahren zu dem gemacht, was sie heute ist. Denn nach der Gründung 1842 stellte Riva zunächst noch keine Boote her. Der Handwerker Pietro Riva zeigte Talent darin, die Holzboote der Fischer auf dem Iseosee im Nordosten von Mailand zu reparieren. Erst sein Sohn Ernesto begann mit der Konstruktion von Ruderbooten sowie für den Transport von Waren ausgelegten Segelbooten. In sportliche Dimensionen stoß sein Enkel Serafino vor, der die ersten Motorboote unter dem Namen Riva baute und mit ihnen in den zwanziger und dreißiger Jahren zahlreiche internationale Rennen gewann. War Riva in der Sportwelt ein Begriff, hat sein Sohn Carlo die Werft mit der Umstellung von Einzelanfertigungen zu Serienmodellen in eine Marke verwandelt.

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Den Anstoß dazu lieferte ein sportbegeisterter Monarch: Fürst Rainier III. von Monaco. Er kannte die Boote der „Tritone“-Serie, die Riva in den frühen fünfziger Jahren produzierte, und wandte sich 1958 an Carlo Riva. Schon damals waren Liegeplätze in Monte Carlo knapp gewesen und er bat um eine Lösung des Problems. Und so baute Riva die ersten Pontons im Hafenbecken, aus denen 1959 der „Monaco Boat Service“ hervorging. Der Fürst gab daraufhin die Erlaubnis, einen Tunnel durch den Felsen unterhalb des Grimaldi-Palasts zu sprengen. 100 Boote können dort während der Winterzeit gelagert werden. „Die Explosionen waren so stark, dass die Fensterscheiben des Palastes gezittert haben“, erinnert sich Carlo Riva an die zwei Jahre andauernden Bauarbeiten. Sein Debüt als Bootsgestalter gab er mit der zweimotorigen „Aquarama“. Deren schmale Windschutzscheibe wurde zugleich zum Namensgeber, da ihr Ausblick stark an das in den fünfziger Jahren eingeführte Breitband-Kinoformat „Cinerama“ erinnerte. Als der Prototyp im Sommer 1962 nach Monaco gebracht wurde, testete Carlo Riva ihn aus. Einer der Zuschauer, der ihn dabei beobachtete, war Fiat-Boss Giovanni Agnelli. Er fragte, ob er das Boot fahre dürfe und jagte es mit voller Geschwindigkeit um den Grimaldi-Felsen. Nicht nur er legte sich daraufhin eine „Aquarama“ zu, sondern viele seiner prominenten Freunde.

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Anlass zum Feiern hatte man 2012 gleich dreifach: Neben dem 170-jährigen Bestehen der Werft und dem 50. Geburtstag der „Aquarama“ wurde Carlo Riva im Februar 90 Jahre alt. Fürst Albert gratulierte ihm persönlich auf seiner „Aquarama LIPICAR IV.“, während im Juli eine Gruppe von Riva-Enthusiasten zu einem  Rennen von Monte Carlo nach St. Tropez aufbrach. Nach einem Galadinner wurde am folgenden Abend eine „Beautiful Sixties Party“ im Monte Carlo Beach Hotel ausgerichtet und am dritten Tag bei einer Parade im Hafen von Monaco die schönste „Aquarama“ gekürt. Gefeiert wurde bei der Gelegenheit noch ein weiterer Anlass.Denn Riva ist längst mehr als eine Werft, die von Hand gefertigte Boote aus Mahagoni konstruiert, sondern ebenso stattliche Hochseeyachten im Programm führt. Pünktlich zum runden Jubiläum wurde die 63 Fuß (19,2 Meter) lange „Virtus“ vorgestellt. Die bis zu 40,5 Knoten schnelle Motoryacht ist das neue Mittelformat der Riva-Familie, deren Längen von 17 bis 120 Fuß reichen. Dass der Neuzugang an eine doppelt vergrößerte „Aquarama“ denken lässt, kommt nicht von ungefähr. Schließlich verfolgt Riva eine vergleichbare Strategie wie Porsche. Sämtliche Neuentwicklungen tragen stets die Züge der Ur-Ikone des Unternehmens in sich. Und was für Porsche der „911“ ist, ist für Riva die „Aquarama“.

„Der Charakter eines Bootes muss in drei Strichen fassbar sein“, erklärt Mauro Micheli. Seit zwanzig Jahren verantwortet er mit seinem Büro „Officina Italiana Design“ die Linienführung der Riva-Modelle und hat auch die Entwicklung der „Virtus“ besteuert. Dass das Boot um elf Fuß länger ist, als das bisherige Mittelformat „Rivale“, folgt der Tendenz des Marktes. Seit Ende der neunziger Jahre werden von den Kunden immer größere Dimensionen und höhere Motorleistung verlangt. Selbst der „Aquarama“ ging es zwischenzeitlich an den Kragen. Weil eine reine Holz-Konstruktion mit den neuen Anforderungen nicht mehr standhalten konnte, verlor das Boot seine ursprüngliche Materialität. Auch wenn der Rumpf von einem Mahagoni- Furnier überzogen ist, verbirgt sich darunter eine Konstruktion aus leichtem wie hoch belastbaren Fieberglas. „Wir haben versucht, die Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden“, erklärt Mauro Micheli die Anpassung des Modells, dass auch in seiner Länge zugelegt hat.

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In der noch immer krisengeschüttelten Mittelmeerregion kennt der Markt derzeit nur zwei Richtungen: Entweder kleinere Boote, wobei die Grenze für „klein“ bei 70 Fuß liegt, oder Großformate jenseits von 120 Fuß. „Die mittlere Größe verkauft sich nicht mehr“, macht Mauro Micheli deutlich und skizziert auf diese Weise die zukünftige Perspektive für Riva. Bislang liegt das größte Modell „Athena“ mit 115 Fuß (35 Metern) noch unter der genannten Marke. Doch es ist anzunehmen, dass diese schnell überschritten wird. Gebaut werden die Großformate direkt am Mittelmeer in La Spezia, während die kleineren Boote am Stammsitz in Sarnico am Iseosee gefertigt werden. Dass Riva das Portfolio kontinuierlich auffächert und 2010 zwei Sondereditionen der „Aquarama“ lancierte – die eine in Kooperation mit Gucci, die andere mit dem australischen Designer Marc Newson –, spiegelt die veränderten Besitzverhältnisse. Nicht nur in der Mode, sondern auch auf dem Wasser ist es schwer geworden, als Luxusmarke Unabhängigkeit zu bewahren. Seit 2000 gehört Riva zur 1968 gegründeten Ferretti Group, die mit ihren Marken Ferretti Yachts, Pershing, Bertram, CRN und anderen als Marktführer hochpreisiger Motoryachten in Europa gilt. Doch schon schluckt ein Fisch den anderen. Im Sommer 2012 wurde bekannt, dass ein chinesischen Investor die Mehrheit der Gruppe übernommen habe und sicher auch mit Riva große Pläne haben dürfte.

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Ans Aufhören denkt Carlo Riva auch mit 90 Jahren noch nicht. In Rapallo betreibt er mit seiner Tochter Maria Pia den „Porto Carlo Riva“. Der erste privat geführte Yachthafen Italiens wurde 1975 eingeweiht wurde und bietet 400 Anlegestellen für Boote von sechs bis 40 Metern. Und seine Tochter Lia betreibt weiterhin Bootsservices in Cannes, St. Tropez und Monaco, wo bis heute die meisten Riva-Modelle gemeldet sind. 80 der 4100 je gebauten Rivas verbringen den Winter in jenem Stollen, den Carlo Riva einst unter dem Fürstenpalast hindurch sprengen ließ.

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