09 Okt Wind Brecher
Interview mit Luca Brenta von Norman Kietzmann
Luca Brenta hat dem Segeln eine neue Ästhetik verliehen. Schnell, grazil und durchgestaltet bis ins Detail fliegen seine Boote über das Wasser, ohne sich in antiquierter Seemannsoptik zu verirren. Mit der Verbindung aus Sportlichkeit und Komfort wurde der 58-jährige zum Ideengeber der Yachten-Schmiede „Wally“ und entwickelt mit seiner Firma „Luca Brenta Yacht Design“ Boote von anmutiger Schönheit. Die Yachten „Ghost“, „Wallygator“ oder „Wally B“ werden zum Inbegriff zeitgenössischer Bootsgestaltung und machen in punkto Innovation auch unter Deck nicht halt. Über Kooperationen mit Architekten wie Piero Lissoni oder John Pawson werden die Innenräume von ihrem rustikalen Charme befreit und mit klaren Formen in die Gegenwart versetzt. Zusammen mit seinem Büropartner Lorenzo Argento und vier weiteren Mitarbeitern entwickelt er seine Ideen im Zentrum von Mailand. Dort trafen wir Luca Brenta in seinem Designstudio und sprachen mit ihm über Formel 1 auf dem Wasser, sportliche Kurven und Flexibilität unter Deck.
Herr Brenta, Sie gelten als einer der einflussreichsten Bootsgestalter und haben eine grundlegend neue Designsprache im Segelsport eingeführt. Was haben Sie verändert?
Wir haben einen neuen Typus von Segelboot entwickelt. Es ist eine Art schnelles Cruise-Boot, das auf der einen Seite komfortabel und leicht zu steuern, auf der anderen Seite sehr schnell und sexy ist. Damit unterscheidet es sich deutlich von bisherigen Segelyachten, die eher behäbig im Wasser liegen. Die Herausforderung lag darin, aus einer schwimmenden Villa ein sportliches Boot zu machen.
Wie sah Ihre Lösung aus?
Um ein Boot schnell zu machen, muss man seine Verdrängung im Wasser reduzieren. Darum haben wir die Rumpfform der von Rennbooten angeglichen und überflüssiges Gewicht eingespart. Viel schwieriger war die Frage der Steuerung. Denn große Regatta-Boote müssen von einer Crew von mindestens zehn Personen gesteuert werden. Zum entspannten Cruisen am Wochenende, wenn nur zwei Personen an Bord sind und unter sich bleiben möchten, sind sie nicht geeignet. Also mussten wir herausfinden, wie sich ein solches Boot auch mit einer kleinen Crew steuern lässt.
Für die 107 Fuß lange Segelyacht „Wallygator“ haben Sie schließlich ein komplexes Steuerungssystem aus hydraulischen Pumpen entwickelt. Scheint dieser Aufwand nicht ein wenig üertrieben? Keineswegs, denn die Hydraulik wird über den Motor des Bootes betrieben. Wenn man den Hafen verlassen hat und Segel setzt, wird dieser zusätzliche Antrieb nicht mehr benötigt und nur als Ballast herumgefahren. Er kann also ebenso gut für die Steuerung des Segels verwendet werden. Als wir dieses System 1991 entwickelt haben, gab es zwar etwas Ähnliches auf dem Markt. Doch in der Bedienung war es sehr schwerfällig und langsam. Hatte man einen Knopf gedrückt, setzte sich alles wie in Zeitlupe in Bewegung. Mit dem Feeling eines Rennbootes hatte dies überhaupt nichts gemeinsam. Wir wollten jedoch dieselbe Geschwindigkeit und dieselbe Dynamik erzielen, als wenn eine große Crew an Bord wäre. Das war gar nicht so einfach. Denn indem man die Maschinerie vergrößert, macht man das Boot schwerer und erhöht seine Verdrängung, anstatt sie zu reduzieren. Also mussten wir das Gewicht radikal verringern.
Was Sie durch den Einsatz von Leichtbaumaterialien wie Karbon umgesetzt haben. Die Innovationen, die Sie mit diesem Boot vorgestellt haben, wurden zugleich zum Initialzünder für die Firma „Wally“, die heute weltweit als Synonym für sportliche Segel- und Motoryachten steht. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Als ich 23 war, habe ich mein erstes Segelboot entworfen, eine Rennyacht. Später kamen immer weitere hinzu. Luca Bassani sah 1987 eines der Boote und gab mir den Auftrag, ein schnelles Segel-Rennboot für ihn zu entwerfen. Zwei Jahre später kam er erneut zu mir und wollte ein noch größeres Boot, die spätere „Wallygator“. Er gab mir ein ungewöhnlich hohes Budget und wollte, dass ich noch weiter gehe. Zum Schluss sind 90 Prozent aller Bauteile von Grund auf neu entwickelt worden. Als wir fertig waren, meinte er: „Ok, ich habe so viel Geld ausgegeben, dass ich gerne eine Firma gründen möchte, die diese Ideen kommerzialisiert.“ So entstand 1993 die Firma Wally. Wir haben die ersten sechs Jahre weiter bei Wally zusammengearbeitet, bis das Design von einem internen Studio übernommenm wurde. Ich war allerdings auch in dieser Zeit weiterhin unabhängig und habe Boote für andere Kunden entwickelt.
Was ist Ihnen wichtiger an einem Boot: seine Erscheinung oder seine Performance?
Beides zur selben Zeit. Es ist wie bei der Ästhetik eines Formel-1-Wagens. Auch hier steht die Form in direktem Zusammenhang mit der Leistung. Die Ästhetik eines Bootes zeigt sich dabei vor allem in den Details. Wir entwerfen jedes Mal selbst die Positionslichter neu, um einen ganzheitlichen Eindruck zu erzeugen.
Auffällig ist die Kontinuität zwischen Innenund Außenraum. Während viele neue Yachten mit traditionellen Interieurs ausgestattet sind, haben Sie bereits vor über zehn Jahren eine zeitgenössische Formensprache unter Deck etabliert.
Ja, allerdings hat auch das eine gewisse Zeit gebraucht. Es war viel schwieriger, die Kunden beim Interieur von einer zeitgemäßen Lösung zu überzeugen als im Außenbereich. Auch die ersten Boote für Wally waren trotz ihrer neuen Linien mit einem altmodischen Interieur ausgestattet. Heute arbeiten wir oft mit Architekten zusammen. Wir kennen zwar die Probleme von maritimer Seite und können ein Projekt so weit wie möglich in eine bestimmte Richtung lenken. Aber die Arbeit mit Architekten erlaubt uns auch im Interieur neue Lösungen zu finden.
Bei welchem Boot haben Sie erstmals Außenund Innenraum aus einem Guss gestaltet?
Auf der „Wally B“ 1996. Die Anfrage kam überraschenderweise vom Kunden, der sich den Innenraum seiner 106 Fuß langen Yacht als großzügiges Loft vorstellte. Dieser Ansatz war weit gedacht, denn der Besitzer war zu diesem Zeitpunkt weder verheiratet noch hatte er Kinder. Er flog am Wochenende von London ans Mittelmeer und segelte dort mit Freunden oder feierte auf dem Boot Parties. Aus diesem Grunde sind alle Wände veränderlich. Es ist möglich, einen großen Esstisch aufzubauen, den gesamten Innenraum zur Tanzfläche umzuwandeln oder Platz für ein zusätzliches Gästezimmer zu schaffen. Auch wenn dieses Maß an Flexibilität speziell für dieses Boot entworfen wurde, haben wir es bei späteren Projekten übernommen.
Das Boot ist somit auf die unterschiedlichen Lebensphasen vorbereitet …
Ja, denn Kinder sind oft nur eine kurze Zeit an Bord. Sie gehen mit ihren Eltern segeln, bis sie 18 oder 20 Jahre alt sind. Danach ändert sich die Nutzung des Bootes vollständig. Ein Boot mit vier oder fünf Kabinen wird dann nur noch von zwei Personen genutzt, die sich eine kleine Kabine teilen müssen, während der Rest leer steht. Darum ist es besser, den Innenraum flexibel zu gestalten, egal ob auf einer großen Yacht wie der „Wally B“ oder auf einem
kleineren Segelschiff von 40 oder 60 Fuß Länge. Auch dort sind 90 Prozent der Zeit nur zwei Personen an Bord.
Was kostet eines Ihrer Boote?
Das hängt davon ab. Es gibt einige Serienmodelle, die von 30 bis 60 Fuß reichen. Die 30-Fuß-Version (8,92 Meter) kostet rund 100.000 Euro, die 60-Fuß-Version (18,62 Meter) ungefähr zwei Millionen. Die 30 Fuß kann man alleine segeln. Sie ist speziell für eine hohe Geschwindigkeit entworfen und aus Karbon gefertigt. 100.000 Euro sind für ein Segelboot nicht viel, aber dennoch ist es teuer. Man kann ein Boot in derselben Größe für die Hälfte bekommen, wenn auch nicht in dieser Qualität und Geschwindigkeit. Deutlich teurer wird es bei den Einzelanfertigungen. Wenn man ein Schwesterschiff der „Ghost“ bauen würde, die 122 Fuß (37,25 Meter) lang ist, müsste man ungefähr 15 Millionen Euro einplanen. Wenn ausschließlich Hightech-Materialien verwendet werden sollen, um zusätzlich Gewicht zu sparen, sollte man nochmals 20 Prozent zurechnen.
Herr Brenta, vielen Dank für das Gespräch.
Artikel aus Quality N23
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