Mein Tesla fährt 210

Die gemütlichen alten Gemischt- waren- Elektro-Autos, Zwei-Mann- Raketen, Solar-Yachten, Privat-U-Boote: Die Zukunft unserer Mobilität sehen die Erfinder scheinbar weiter im Individualverkehr. Wie innovativ sind die Innovationen aber wirklich?
von Nora Reinhardt

Die Frage ist mittlerweile eher: Welcher Hollywoodstar hat eigentlich noch kein umweltfreundliches Elektro-Auto, wer fährt noch ein spritfressendes Benzinmonster, einen tonnenschweren Riesen-SUV? Chuck Norris vielleicht? Der ist ja auch so ungefähr der einzige halbwegs bekannte amerikanische, na ja, Schauspieler, der in Wahlkämpfen öffentlich die Republikaner unterstützt. Tom Hanks hingegen, der einfach nicht aus seiner Haut als Sympathieträger kann, fuhr letztes Jahr demonstrativ mit dem Elektro-Auto zum Wahllokal. Um, wie er zuvor mitgeteilt hatte, Barack Obama seine Stimme zu geben – dem Präsidenten, der zumindest im Wahlkampf fürs ökologische Umdenken stand. Wie viel davon er tatsächlich in reales politisches Handeln umzusetzen gedenkt (und kann), weiß man aber auch ein Jahr nach seiner Wahl noch nicht wirklich. Die im Dezember in Kopenhagen stattfindende UN-Klimakonferenz könnte Aufschluss darüber geben: Dann spätestens muss Obamas Administration in Sachen Umweltschutz auf internationaler Ebene endlich Farbe bekennen.

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Jenseits politischer Willensbekundungen brechen zumindest auf dem Automarkt neue Zeiten langsam an. Nachdem die großen Hersteller jahrelang auf Autosalons immer nur Studien etwa zum Elektro-Auto präsentiert haben, die fast nie die Serienreife erreichten, schworen sie zuletzt auf der Frankfurter IAA, dies nun endlich schaffen zu können. Die ewigen Probleme mit den Akkus und den Antrieben scheinen lösbar, es wäre auch seltsam, wenn nicht: Immerhin hat der junge Kleinhersteller Tesla Motors es bereits geschafft, mit dem Tesla Roadster das weltweit erste Serien-Elektro-Auto zu produzieren. George Clooney fährt einen Tesla, das weiß man fast schon zur Genüge, und doch ist die Art seiner Begeisterung exemplarisch für einen Autofan: „Mit dem Tesla bin ich schneller als mit einem Porsche.“ In vier Sekunden von null auf hundert beschleunigt der heckangetriebene Roadster, er fährt 210 Stundenkilometer Spitze, gefertigt wird er im kalifornischen San Carlos. Der Preis von 98 000 Dollar ist zumindest für einen expliziten Sportwagen nicht mal exorbitant, und mit dem Tesla S soll übernächstes Jahr auch eine erheblich preisgünstigere Limousine auf den Markt kommen: Knapp 50 000 Dollar soll die futuristische Familienkutsche kosten, ein Touchscreen-Amaturenbrett haben und serienmäßig WLAN; rechnet man die günstigere Betankung mit Strom gegen die eines Benzinautos auf die ungefähre Lebensdauer des Wagens hoch, behauptet jedenfalls Tesla Motors, so ist der Strom-Fünfsitzer in den Gesamtkosten über die Zeit vergleichbar mit einem Benziner für etwa 35 000 Dollar. Das einzige Problem scheinen bei Tesla Motors die knappen Finanzmittel des Start-Ups zu sein – dafür hat man aber mittlerweile einen potenten Anteilseigner gefunden: Daimler Benz.

Hat die automobile Revolution also längst begonnen? Wird man bald auf deutschen Autobahnen kein Heulen der Motoren, sondern ein leises, behagliches Surren hören? Ziemlich wahrscheinlich ja, sagt Hartmut Topp. Der Professor von der TU Kaiserslautern forscht seit Jahrzehnten zur Zukunft unserer Mobilität. Er ist sich sicher, dass die Zahl der Elektroautos stark steigen wird, sobald der Preis nachlässt. Die Rechnung könnte schon für den Tesla S aufgehen, aber auch fast alle großen Hersteller zielten mit ihren IAA-Stromneuheiten auf dieses Marktsegment: Mitsubishi, Peugeot, Citroën, Smart, Renault, Opel, VW. In den meisten steckt eine aufladbare Batterie aus vielen Lithium-Ionen-Akkus, die man aus dem Laptop oder Handy kennt. Diese Akkus kann man in einer herkömmlichen 220-Volt-Steckdose aufladen, in die man normalerweise den Fön oder den Toaster steckt. Momentan gebe es noch „viel zu wenige Ladestationen“, bemängelt Mobilitäts-Experte Topp, und die Ladedauer sei auch noch zu hoch. Er glaubt aber an ein baldiges Nebeneinander von strom- und benzinbetriebenen Fahrzeugen, mit einem leichten Übergewicht für die Elektro-Autos. Ganz ersetzen werden sie die Benziner aber wohl nicht. Auch Matthias Wissmann, Präsident des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA), glaubt an die „zunehmende Bedeutung der Elektromobilität“ – auch wenn die Mitglieder seines Verbandes die Entwicklung lange ignoriert haben, man kann auch sagen: verschliefen.

Die mittlerweile abgewählte Große Koalition hatte bereits als Ziel ausgegeben, dass bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein sollen. Hartmut Topp hält das für realistisch, erwartet sogar noch mehr. Die heute Siebenjährigen werden in der Fahrschule also vermutlich schon die Wahl haben zwischen Benzin- und Elektrowagen, und viele der dann 18-Jährigen werden ihren „Abi 2020“-Sticker schon auf die Heckscheibe eines Stromautos kleben.
Wer in England oder Frankreich schon einmal versucht hat, den Reisefön oder den Laptop im Hotel in die Wand zu stecken, kennt allerdings ein Problem, mit dem sich die Auto-Forscher lange herumschlugen: Die unterschiedlichen Steckdosen der unterschiedlichen Länder und die unterschiedlichen Volt-Zahlen. Erst im Oktober kam der Durchbruch: Deutsche Forscher haben einen weltweit einsetzbaren Ladestecker für Elektroautos entwickelt, den ersten seiner Art. Damit sei es in Zukunft möglich, „mit einem deutschen Auto auch in Italien oder in den USA problemlos Strom zu tanken“, so der VDA. Dem grenzüberschreitenden Verkehr mit dem Elektro-Auto, der bislang häufig problematisch, wenn nicht gar unmöglich war, steht endlich nichts mehr im Weg. Öko-Mobilität erstreckt sich aber nicht nur auf die Straße, auch solarbetriebene Yachten werden mittlerweile schick. Nach dem Privathelikopter ist das die neueste Erfindung der französischen Luxus-Marke Hermès, die jahrzehntelang vor allem für ihre wunderschönen Halstücher berühmt war. Hermès hat sich jüngst mit dem Luxus-Yachthersteller Wally zusammengetan, dessen Megayachten schon Gianni Agnelli begeisterten. Gemeinsam haben die beiden Firmen nun eine umweltfreundliche Yacht entworfen, die im September vorgestellt wurde: Hermès lieferte das Design, Wally das technische Know-How. Wie eine „futuristische, schwimmende Geheimbasis aus einem James-Bond-Film“ sehe die Yacht aus, jubelte eine Fachpressestimme. Man könnte aber auch einwenden, durch ihre enorme Breite von 38 Metern auf 58 Metern Länge sehe die Megayacht wie ein schwimmendes Bügeleisen aus. Ungewöhnlich ist das Design auf jeden Fall, die Solarpaneele etwa verbrauchen Fläche. Dafür schafft der Hybridmotor eine gefällige Höchstgeschwindigkeit von 14 Knoten. Ein Massenphänomen werden solche solarbetriebenen Luxusyachten ab 50 Millionen Euro nicht werden, dafür sind sie aber auch nicht gedacht. Und gute Ideen sind am Anfang eh immer teuer.

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Statt auf Fortbewegung zu Lande und zu Wasser setzen andere Tüftler, Visionäre und Entwickler auf ganz andere, neue Verkehrswege. Mit superschnellen Raketen und UFOs sollen auch Menschen ohne lange Astronautenausbildung den Orbit erobern.
„Wir träumen von Reisen in das Weltall: Ist denn das Weltall nicht in uns?“, fragte so suggestiv wie ratlos der Schriftsteller Novalis in der Frühromantik. Die Zeiten des bloßen Sehnens sind seit Beginn der bemannten Raumfahrt vorbei, und bald schon soll es „bemannte Suborbitalflüge“ geben. Zwei US-amerikanische Anbieter feilen an einem Komplettreisepaket für raketenbetriebene Flüge, etwas außerirdisch klingt auch der Name des Verkehrsmittels: „Xcor Lynx“. Ein Pilot und ein Passagier sitzen darin nebeneinander und heben bis auf 65 000 Meter Höhe ab. Für das Jahr 2010 sind Testflüge geplant, bereits 2011 sollen erste Passagierflüge stattfinden, Ziel sind mehrere Suborbitalflüge täglich – Weltraumtourismus ist keine Zukunftsfrage mehr, sondern erklärtes Ziel der Branche.

Zukünftige Weltraumtouristen können bereits zu sparen beginnen, denn „noch bevor die kommerziellen Suborbitalflüge begonnen haben, sinken die Preise bereits um über die Hälfte auf 95 000 Dollar“, schreibt die amerikanische Firma auf ihrer Homepage. Der Markt ist umworben. Es gibt auch noch das „SpaceShipTwo“, das von den ebenfalls US-amerikanischen Firmen Scaled Composites und Virgin Group entwickelt wird. Andere Forscher propagieren seit Längerem das „Ein-Familien-Ufo“.
Werden wir also bald alle Weltraumtouristen? Mit der Rakete nach Übersee? Professor Topp, der Veränderungen im Verkehrswesen seit Jahrzehnten wissenschaftlich beobachtet, ist da skeptisch: „Das wird ein teures Hobby für Einzelne bleiben.“ Seiner Meinung nach geht der Trend weg von Schnelligkeit und Verschleuderung fossiler Energien, hin zu Entschleunigung und Umweltverträglichkeit.

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Wer dennoch von Reisen in fremde Galaxien träumen möchte, kann sich damit trösten, dass Zukunftsprognosen oft falsch sind: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Da war sich Kaiser Wilhelm II. um 1900 ganz sicher.
Zu viel Skepsis ist in Sachen Technikfortschritt nicht angebracht – zu viel Fortschrittsglaube allerdings auch nicht. In den fünfziger und sechziger Jahren nahm man wie selbstverständlich an, dass man bald nervige Staus vermeiden könne, indem man sein Auto einfach abheben lässt. Das blieb Phantasterei. Und dennoch hielt Hollywood in den achtziger Jahren fliegende Autos als nahe Zukunftsvision weiterhin für plausibel: 1982 ließ Ridley Scott sie in seiner düsteren Dystopie „Blade Runner“ durchs Los Angeles des Jahres 2019 schweben; und auch 1989 war die Sache für Robert Zemeckis so klar, dass im zweiten Teil seiner „Zurück in die Zukunft“-Trilogie der DeLorean im Jahr 2015 flugtauglich wurde. Wir jedoch ahnen: Weder in sechs noch in zehn Jahren werden Autos fliegen. Die Zukunft lässt sich eben immer nur aus der jeweiligen Gegenwart voraussagen. Deshalb gibt es in „Blade Runner“ zum Beispiel auch keine PCs – die galten 1982 noch nicht als kommendes Massenphänomen.

Zu optimistische Prognosen werden auch regelmäßig durch unvorhergesehene Ereignisse gestört, etwa aufsehenerregende Unfälle. Als eine Concorde, die ausnahmsweise mal realisierte Utopie der sechziger Jahre, im Jahr 2000 nahe Paris abstürzte, war damit auch die Idee des kommerziellen Überschallfliegens vorerst am Ende – kostendeckend war der Betrieb der wilden Kerosinschlucker ohnehin nie gewesen, die Concorde war ein britisch-französisches Prestigeprojekt. Ähnliches passierte 63 Jahre zuvor mit dem Zeppelin: Als die „Hindenburg“ – bis heute das größte je gebaute Luftfahrzeug – bei der Landung im amerikanischen Lakehurst nahe New York in Flammen aufging, bedeutete dies das Aus für die Zeppelin-Industrie. Aufschlussreich ist, dass fast immer nur Unfälle von Massentransportmitteln zum Ende ganzer Technikansätze führen – der Schock über Verletzung und Tod vieler Menschen scheint dann stärker als der Glaube an die Zukunft einer bestimmten Idee. Abermillionen Autounfälle hingegen hatten zwar Konsequenzen für die Sicherheitsausstattung von PKWs, gegenüber dem Fortbewegungsmittel Auto sind trotzdem nie Zweifel aufgekommen. Auffällig ist dann auch, dass die gegenwärtigen Zukunftsutopien der Mobilität fast ausschließlich im Individualverkehr gesucht werden. Obwohl der fast immer eine schlechtere Pro-Kopf-Öko-Bilanz hat als Massentransportmittel; und obwohl jeder neue Stau ein Beleg dafür ist, dass Verkehr nicht endlos individualisierbar ist. Der Platz ist halt begrenzt und er wäre es sogar im Weltraum. Trotzdem sucht man immer neuen. So glaubt eine kleine Firma im Brandenburgischen, dass das U-Boot für den Privatgebrauch die Zukunft der Fortbewegung ist. Das Mini-U-Boot für zwei Personen trägt den schönen Namen „Nemo 100“ und ist das erste „zivile U-Boot“ Deutschlands – und genauso orange wie der gleichnamige Clownfisch. Seine Jungfernfahrt absolvierte Nemo im Herbst 2008 im Helenesee, dem mit 57 Metern zweittiefsten See Brandenburgs. Werden wir also bald ein U-Boot auf den Autoanhänger schnallen und durch den Ärmelkanal tauchen, statt zu fliegen oder den Eurotunnel zu benutzen? Die U-Boot-Hersteller hoffen es und bereiten die Serienproduktion vor. Mit stolzen 180000 Euro ist der Preis für „Nemo 100“ allerdings ziemlich stolz. Doch wie mobil müssen wir eigentlich noch sein in Zeiten umfassender Vernetzung? Das Internet verbindet uns mit Freunden und Geschäftspartnern auf der ganzen Welt – vor Ort müssen wir nicht mehr sein, um mit dem anderen zu sprechen und ihn vor Augen zu haben. Vielleicht wird physische Mobilität also auch an Wichtigkeit verlieren – zugunsten von virtueller Mobilität. Aber das wäre dann eine ganz andere Geschichte.Jenseits politischer Willensbekundungen brechen zumindest auf dem Automarkt neue Zeiten langsam an. Nachdem die großen Hersteller jahrelang auf Autosalons immer nur Studien etwa zum Elektro-Auto präsentiert haben, die fast nie die Serienreife erreichten, schworen sie zuletzt auf der Frankfurter IAA, dies nun endlich schaffen zu können. Die ewigen Probleme mit den Akkus und den Antrieben scheinen lösbar, es wäre auch seltsam, wenn nicht: Immerhin hat der junge Kleinhersteller Tesla Motors es bereits geschafft, mit dem Tesla Roadster das weltweit erste Serien-Elektro-Auto zu produzieren.

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George Clooney fährt einen Tesla, das weiß man fast schon zur Genüge, und doch ist die Art seiner Begeisterung exemplarisch für einen Autofan: „Mit dem Tesla bin ich schneller als mit einem Porsche.“ In vier Sekunden von null auf hundert beschleunigt der heckangetriebene Roadster, er fährt 210 Stundenkilometer Spitze, gefertigt wird er im kalifornischen San Carlos. Der Preis von 98 000 Dollar ist zumindest für einen expliziten Sportwagen nicht mal exorbitant, und mit dem Tesla S soll übernächstes Jahr auch eine erheblich preisgünstigere Limousine auf den Markt kommen: Knapp 50 000 Dollar soll die futuristische Familienkutsche kosten, ein Touchscreen-Amaturenbrett haben und serienmäßig WLAN; rechnet man die günstigere Betankung mit Strom gegen die eines Benzinautos auf die ungefähre Lebensdauer des Wagens hoch, behauptet jedenfalls Tesla Motors, so ist der Strom-Fünfsitzer in den Gesamtkosten über die Zeit vergleichbar mit einem Benziner für etwa 35 000 Dollar. Das einzige Problem scheinen bei Tesla Motors die knappen Finanzmittel des Start-Ups zu sein – dafür hat man aber mittlerweile einen potenten Anteilseigner gefunden: Daimler Benz.

Hat die automobile Revolution also längst begonnen? Wird man bald auf deutschen Autobahnen kein Heulen der Motoren, sondern ein leises, behagliches Surren hören? Ziemlich wahrscheinlich ja, sagt Hartmut Topp. Der Professor von der TU Kaiserslautern forscht seit Jahrzehnten zur Zukunft unserer Mobilität. Er ist sich sicher, dass die Zahl der Elektroautos stark steigen wird, sobald der Preis nachlässt. Die Rechnung könnte schon für den Tesla S aufgehen, aber auch fast alle großen Hersteller zielten mit ihren IAA-Stromneuheiten auf dieses Marktsegment: Mitsubishi, Peugeot, Citroën, Smart, Renault, Opel, VW.

In den meisten steckt eine aufladbare Batterie aus vielen Lithium-Ionen-Akkus, die man aus dem Laptop oder Handy kennt. Diese Akkus kann man in einer herkömmlichen 220-Volt-Steckdose aufladen, in die man normalerweise den Fön oder den Toaster steckt. Momentan gebe es noch „viel zu wenige Ladestationen“, bemängelt Mobilitäts-Experte Topp, und die Ladedauer sei auch noch zu hoch. Er glaubt aber an ein baldiges Nebeneinander von strom- und benzinbetriebenen Fahrzeugen, mit einem leichten Übergewicht für die Elektro-Autos. Ganz ersetzen werden sie die Benziner aber wohl nicht. Auch Matthias Wissmann, Präsident des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA), glaubt an die „zunehmende Bedeutung der Elektromobilität“ – auch wenn die Mitglieder seines Verbandes die Entwicklung lange ignoriert haben, man kann auch sagen: verschliefen.

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Die mittlerweile abgewählte Große Koalition hatte bereits als Ziel ausgegeben, dass bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sein sollen. Hartmut Topp hält das für realistisch, erwartet sogar noch mehr. Die heute Siebenjährigen werden in der Fahrschule also vermutlich schon die Wahl haben zwischen Benzin- und Elektrowagen, und viele der dann 18-Jährigen werden ihren „Abi 2020“-Sticker schon auf die Heckscheibe eines Stromautos kleben.
Wer in England oder Frankreich schon einmal versucht hat, den Reisefön oder den Laptop im Hotel in die Wand zu stecken, kennt allerdings ein Problem, mit dem sich die Auto-Forscher lange herumschlugen: Die unterschiedlichen Steckdosen der unterschiedlichen Länder und die unterschiedlichen Volt-Zahlen. Erst im Oktober kam der Durchbruch: Deutsche Forscher haben einen weltweit einsetzbaren Ladestecker für Elektroautos entwickelt, den ersten seiner Art. Damit sei es in Zukunft möglich, „mit einem deutschen Auto auch in Italien oder in den USA problemlos Strom zu tanken“, so der VDA. Dem grenzüberschreitenden Verkehr mit dem Elektro-Auto, der bislang häufig problematisch, wenn nicht gar unmöglich war, steht endlich nichts mehr im Weg.
Öko-Mobilität erstreckt sich aber nicht nur auf die Straße, auch solarbetriebene Yachten werden mittlerweile schick. Nach dem Privathelikopter ist das die neueste Erfindung der französischen Luxus-Marke Hermès, die jahrzehntelang vor allem für ihre wunderschönen Halstücher berühmt war. Hermès hat sich jüngst mit dem Luxus-Yachthersteller Wally zusammengetan, dessen Megayachten schon Gianni Agnelli begeisterten. Gemeinsam haben die beiden Firmen nun eine umweltfreundliche Yacht entworfen, die im September vorgestellt wurde: Hermès lieferte das Design, Wally das technische Know-How. Wie eine „futuristische, schwimmende Geheimbasis aus einem James-Bond-Film“ sehe die Yacht aus, jubelte eine Fachpressestimme. Man könnte aber auch einwenden, durch ihre enorme Breite von 38 Metern auf 58 Metern Länge sehe die Megayacht wie ein schwimmendes Bügeleisen aus. Ungewöhnlich ist das Design auf jeden Fall, die Solarpaneele etwa verbrauchen Fläche. Dafür schafft der Hybridmotor eine gefällige Höchstgeschwindigkeit von 14 Knoten. Ein Massenphänomen werden solche solarbetriebenen Luxusyachten ab 50 Millionen Euro nicht werden, dafür sind sie aber auch nicht gedacht. Und gute Ideen sind am Anfang eh immer teuer.
Statt auf Fortbewegung zu Lande und zu Wasser setzen andere Tüftler, Visionäre und Entwickler auf ganz andere, neue Verkehrswege. Mit superschnellen Raketen und UFOs sollen auch Menschen ohne lange Astronautenausbildung den Orbit erobern.
„Wir träumen von Reisen in das Weltall: Ist denn das Weltall nicht in uns?“, fragte so suggestiv wie ratlos der Schriftsteller Novalis in der Frühromantik. Die Zeiten des bloßen Sehnens sind seit Beginn der bemannten Raumfahrt vorbei, und bald schon soll es „bemannte Suborbitalflüge“ geben. Zwei US-amerikanische Anbieter feilen an einem Komplettreisepaket für raketenbetriebene Flüge, etwas außerirdisch klingt auch der Name des Verkehrsmittels: „Xcor Lynx“. Ein Pilot und ein Passagier sitzen darin nebeneinander und heben bis auf 65 000 Meter Höhe ab. Für das Jahr 2010 sind Testflüge geplant, bereits 2011 sollen erste Passagierflüge stattfinden, Ziel sind mehrere Suborbitalflüge täglich – Weltraumtourismus ist keine Zukunftsfrage mehr, sondern erklärtes Ziel der Branche.

Zukünftige Weltraumtouristen können bereits zu sparen beginnen, denn „noch bevor die kommerziellen Suborbitalflüge begonnen haben, sinken die Preise bereits um über die Hälfte auf 95 000 Dollar“, schreibt die amerikanische Firma auf ihrer Homepage. Der Markt ist umworben. Es gibt auch noch das „SpaceShipTwo“, das von den ebenfalls US-amerikanischen Firmen Scaled Composites und Virgin Group entwickelt wird. Andere Forscher propagieren seit Längerem das „Ein-Familien-Ufo“.
Werden wir also bald alle Weltraumtouristen? Mit der Rakete nach Übersee? Professor Topp, der Veränderungen im Verkehrswesen seit Jahrzehnten wissenschaftlich beobachtet, ist da skeptisch: „Das wird ein teures Hobby für Einzelne bleiben.“ Seiner Meinung nach geht der Trend weg von Schnelligkeit und Verschleuderung fossiler Energien, hin zu Entschleunigung und Umweltverträglichkeit.

qm3_mein_tesla1

Wer dennoch von Reisen in fremde Galaxien träumen möchte, kann sich damit trösten, dass Zukunftsprognosen oft falsch sind: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ Da war sich Kaiser Wilhelm II. um 1900 ganz sicher.
Zu viel Skepsis ist in Sachen Technikfortschritt nicht angebracht – zu viel Fortschrittsglaube allerdings auch nicht. In den fünfziger und sechziger Jahren nahm man wie selbstverständlich an, dass man bald nervige Staus vermeiden könne, indem man sein Auto einfach abheben lässt. Das blieb Phantasterei. Und dennoch hielt Hollywood in den achtziger Jahren fliegende Autos als nahe Zukunftsvision weiterhin für plausibel: 1982 ließ Ridley Scott sie in seiner düsteren Dystopie „Blade Runner“ durchs Los Angeles des Jahres 2019 schweben; und auch 1989 war die Sache für Robert Zemeckis so klar, dass im zweiten Teil seiner „Zurück in die Zukunft“-Trilogie der DeLorean im Jahr 2015 flugtauglich wurde. Wir jedoch ahnen: Weder in sechs noch in zehn Jahren werden Autos fliegen. Die Zukunft lässt sich eben immer nur aus der jeweiligen Gegenwart voraussagen. Deshalb gibt es in „Blade Runner“ zum Beispiel auch keine PCs – die galten 1982 noch nicht als kommendes Massenphänomen.
Zu optimistische Prognosen werden auch regelmäßig durch unvorhergesehene Ereignisse gestört, etwa aufsehenerregende Unfälle. Als eine Concorde, die ausnahmsweise mal realisierte Utopie der sechziger Jahre, im Jahr

2000 nahe Paris abstürzte, war damit auch die Idee des kommerziellen Überschallfliegens vorerst am Ende – kostendeckend war der Betrieb der wilden Kerosinschlucker ohnehin nie gewesen, die Concorde war ein britisch-französisches Prestigeprojekt. Ähnliches passierte 63 Jahre zuvor mit dem Zeppelin: Als die „Hindenburg“ – bis heute das größte je gebaute Luftfahrzeug – bei der Landung im amerikanischen Lakehurst nahe New York in Flammen aufging, bedeutete dies das Aus für die Zeppelin-Industrie. Aufschlussreich ist, dass fast immer nur Unfälle von Massentransportmitteln zum Ende ganzer Technikansätze führen – der Schock über Verletzung und Tod vieler Menschen scheint dann stärker als der Glaube an die Zukunft einer bestimmten Idee. Abermillionen Autounfälle hingegen hatten zwar Konsequenzen für die Sicherheitsausstattung von PKWs, gegenüber dem Fortbewegungsmittel Auto sind trotzdem nie Zweifel aufgekommen. Auffällig ist dann auch, dass die gegenwärtigen Zukunftsutopien der Mobilität fast ausschließlich im Individualverkehr gesucht werden. Obwohl der fast immer eine schlechtere Pro-Kopf-Öko-Bilanz hat als Massentransportmittel; und obwohl jeder neue Stau ein Beleg dafür ist, dass Verkehr nicht endlos individualisierbar ist. Der Platz ist halt begrenzt und er wäre es sogar im Weltraum. Trotzdem sucht man immer neuen. So glaubt eine kleine Firma im Brandenburgischen, dass das U-Boot für den Privatgebrauch die Zukunft der Fortbewegung ist. Das Mini-U-Boot für zwei Personen trägt den schönen Namen „Nemo 100“ und ist das erste „zivile U-Boot“ Deutschlands – und genauso orange wie der gleichnamige Clownfisch. Seine Jungfernfahrt absolvierte Nemo im Herbst 2008 im Helenesee, dem mit 57 Metern zweittiefsten See Brandenburgs. Werden wir also bald ein U-Boot auf den Autoanhänger schnallen und durch den Ärmelkanal tauchen, statt zu fliegen oder den Eurotunnel zu benutzen? Die U-Boot-Hersteller hoffen es und bereiten die Serienproduktion vor. Mit stolzen 180000 Euro ist der Preis für „Nemo 100“ allerdings ziemlich stolz. Doch wie mobil müssen wir eigentlich noch sein in Zeiten umfassender Vernetzung? Das Internet verbindet uns mit Freunden und Geschäftspartnern auf der ganzen Welt – vor Ort müssen wir nicht mehr sein, um mit dem anderen zu sprechen und ihn vor Augen zu haben. Vielleicht wird physische Mobilität also auch an Wichtigkeit verlieren – zugunsten von virtueller Mobilität. Aber das wäre dann eine ganz andere Geschichte.

 

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